Vor-Gelesen (Buch-Empfehlungen)

"Begegnen wir der Zeit, wie sie uns sucht."

Stefan Zweig: Die Welt von Gestern

Winter im Pfrunger Ried
Winter im Pfrunger Ried

🔴  hier neu

Belletristik

Eva Gesine Baur: Einsame Klasse: Das Leben der Marlene Dietrich

Ray Bradbury: Fahrenheit 451

Italo Calvino: Herr Palomar

Tom Clancy: Command Authority |  Kampf um die Krim

Umberto Eco: Der Name der Rose

George Eliot: Middlemarch

Giuliano da Empoli: Der Magier im Kreml

Der Große Heinz Erhardt

Edna Ferber: Giganten

S. Scott Fitzgerald: Der große Gatsby

Richard Harris:  Intrige

Carsten Henn: Der Buchspazierer 🔴  

Franz Kafka: Ein Kommentar

Vincent Klink: Ein Bauch spaziert durch Venedig 

Giuseppe Tomasi di Lampedusa: Der Leopard 

Mariana Leky: Kummer aller Art

Loriot: Gesammelte Prosa

O’Henry: Das Geschenk der Weisen und andere Weihnachtserzählungen

George Orwell: Farm der Tiere

George Orwell: 1984

Theresa Präauer: Kochen im falschen Jahrhundert

Christoph Ransmayr: Cox oder Der Lauf der Zeit

Tonio Schachinger: Echtzeitalter 🔴

Frank Schätzing: Breaking News 

Robert Seethaler: Das Café ohne Namen 🔴  

Nicholas Sparks: Wie ein einziger Tag 🔴 

Jules Verne: Reise zum Mittelpunkt der Erde

Martin Walker: Bruno, Chef de Police - und 14 weitere Bände

Martin Walker: Germany 2064 🔴  

Franz Werfel: Das Lied von Bernadette

Stefan Zweig: Schachnovelle

Sachbücher

Kai Bird, Martin J.Sherwin: J.Robert Oppenheimer - Die Biografie 🔴

Edited by Steve Christ: The Polaroid Book - - 254 Photographs by 203 Artists 

Gerd Danigels: Schöner unsere Paläste - Fotos aus der DDR

Annette Dittert: London Calling

Alain Finkielkraut: Vom Ende der Literatur: Die neue moralische Unordnung 🔴

Manfred Geier: Worüber kluge Menschen lachen: Kleine Philosophie des Humors

Domenico Gentile: Casalinga - Die Küche der süditalienischen Hausfrauen

Rolf Hosfeld: Heinrich Heine - Die Erfindung des europäischen Intellektuellen

Wiebke Hüster: Birgit Keil. Glück ist, wenn auch die Seele tanzt 

Hellmuth Karasek: Billy Wilder - Eine Nahaufnahme

Ian Kershaw: Höllensturz. Europa 1914 bis 1949 🔴

Ian Kershaw: Achterbahn: Europa 1950 bis heute 🔴

Michel de Montaigne und Hans Stilett: Essais - Erste moderne Gesamtübersetzung 🔴

Karl R. Popper: Alles Leben ist Problemlösen

Anna Schneider: Freiheit beginnt beim Ich 🔴  

Margot Lee Shetterly: Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen

Simon Singh: Fermats letzter Satz 

Nigel Slater: Tender|Obst : Vom Apfel bis zur Weintraube 🔴

Peter Sloterdijk: Wer noch kein Grau gedacht hat - Eine Farbenlehre

Dava Sobel und William J.H. Andrewes: Längengrad

Dr. Anna Veronika Wendland: Atomkraft? Ja bitte!

Uwe Wittstock: Februar 33 - Der Winter der Literatur

Stefan Zweig: Montaigne (1533 - 1592) 🔴

Stefan Zweig: Die Welt von Gestern 


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Vorab: Es scheint, als wenn unsere Erde ein großes Narrenhospital ist, wo aus dem ungeheuren Universo alle Narren hingeschickt 

werden, um Quarantäne zu halten. Immanuel Kant   (1724 -1804)

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Eva Gesine Baur: Einsame Klasse: Das Leben der Marlene Dietrich

Marlene Dietrich wurde 1901 in Berlin-Schöneberg geboren und starb 1992 in Paris. Die Autorin schreibt die außerordentlich einfühlsame Biografie einer absoluten Ausnahmekünstlerin, einer sehr disziplinierten und fürsorgenden Frau und einer Persönlichkeit, die sich nicht vereinnahmen und verorten läßt.  Bestens recherchiert und im Kontext mit den politischen und kulturellen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts dargestellt: Gleichzeitig ein Geschichtsbuch der anderen Art.   GS

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Ray Bradbury: Fahrenheit 451*

Ray Bradbury, vielfach ausgezeichneter US-amerikanischer Drehbuchautor und Schriftsteller (1920-2012),  schrieb diesen Roman über eine fiktive Gesellschaft der Zukunft, in der es ein Verbrechen war, Bücher zu besitzen. Die Menschen lebten anonym, rechtlos und unter pausenloser Beschallung der gelenkten Medien.

Sein Protagonist Guy Montag ist in dieser restriktiven Kulisse Feuerwehrmann mit der speziellen Aufgabe, Bücherbesitzer aufzuspüren und deren Bücher mit einem Flammenwerfer zu vernichten. Mechanische Spürhunde verfolgen Staatsfeinde, selbständiges Denken und nicht angepaßtes Handeln bringt Menschen in große Gefahr. So auch Guy, der einige Bücher versteckt hält, sie auch liest, sogar seiner Frau Mildred und ihren Freundinnen daraus vorliest. Mildred, die ihrem Mann vollkommen gleichgültig gegenübersteht, verrät ihn bei Feuerwehr-Hauptmann Beatty. Dieser befiehlt Guy, das eigene Haus und seine Bücher zu verbrennen, doch Guy richtet das Feuer gegen den Captain und verbrennt ihn.

Guy flüchtet, von einem Spürhund gehetzt, zu einer Gruppe von Menschen, die versteckt in umliegenden Wäldern leben, Bücher besitzen oder zumindest Erinnerungen daran wachhalten. Derweil wird seine Heimatstadt bombardiert und geht in Flammen auf. Mit dem Mythos des Phoenix, der aus eigener Asche wieder aufersteht, um ewig zu leben, verbinden die Überlebenden die Hoffnung, wieder an einen Ort zurückzukehren, wo Bücher erlaubt sein werden.

Ray Bradburys Roman ist eine Dystopie, die Schilderung einer grausamen, autoritären Zukunftsgesellschaft. Man kann das Buch als Weckruf gegen das Vergessen verstehen, als Plädoyer für ein Wissen um die Bedeutung unserer Vergangenheit. Und als Warnung vor Gleichgültigkeit und Rechtlosigkeit, gegen die jeder einzelne aufgerufen ist, sich mit Mut und Optimismus zu wehren.

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* Der Titel bezieht sich auf die vermutete Temperatur Fahrenheit 451 (etwa 233° Celsius), bei der sich Papier von selbst entzündet. Das Buch erschien 1953 im Verlag Ballantine Books. - RS

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Italo Calvino: Herr Palomar 

In 27 kleinen Geschichten versucht Italo Calvino, uns einen Menschen näher zu bringen, den nur eines umtreibt: den Fragen des Lebens auf den Grund zu gehen: „Niemand betrachtet den Mond am Nachmittag, und dabei hätte er um diese Zeit unsere Aufmerksamkeit am dringendsten nötig, da seine Existenz noch in Frage steht.“ Genau das ist es, was ich lesen will. Felsenfest stehende Tatsachen, und doch ein winziger Funke Unsicherheit. Was wäre, wenn sich Selene bereits von uns verabschiedet hat? Wenn sie gar nicht daran dächte, uns ihre Entscheidung des Nichterscheinens zukommen zu lassen? Herr Palomar beobachtet die Dinge in seinem Umfeld mit höchster Präzision. Wie etwa ein Fotograf, der mit der größtmöglichen Zeitlupe Werden und Vergehen eines Wesens zu dokumentieren versucht. Dabei ist  aber gänzlich im unklaren, wie sich die Dinge hinter den Dingen verhalten, welchen Einfluß sie korrespondierend nehmen und ob ihnen mit präzisen Beschreibungen eine unumstößliche Wertigkeit zuzuschreiben wäre. Kurz und gut: unser Protagonist hat der Oberflächlichkeit, der Gleichgültigkeit gegenüber dem Besonderen den Kampf angesagt.

Und so betrachtet Herr Palomar nicht nur denn Mond am Nachmittag, sondern er versucht, eine Welle zu lesen. Er reiht sich in die wartende Schlange in einem Pariser Käseladen ein, betrachtet von seinem Garten aus die Sterne und sinniert über die Ordnung der Schuppentiere. 

Vielleicht, vermute ich, würde Herr Palomar sein unnachgiebig konsequentes Vorgehen beim Betrachten der Dinge mit dem Schälen einer Zwiebel vergleichen. Aber nein, nicht ganz: das wäre ja ein endliches Werk.

Auf denn: Begleiten Sie unseren emsigen Römer auf seiner Suche! Die gerade einmal 127 Seiten werden Ihnen bis zur letzten gefallen. RS

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Tom Clancy: Command Authority/ Kampf um die Krim (2014)

Es kommt immer wieder einmal vor, daß ein fiktiver Roman (Fahrenheit 451 von Ray Bradbury oder 1984 von George Orwell) Entwicklungen einer Zeit vorwegnimmt. So auch bei Command Authority (Oberste Befehlsgewalt) von Tom Clancy. Dieser 2013 zuerst in englischer Sprache erschienene, fiktive Politthriller ist neun Jahre später von unglaublicher Aktualität. Er handelt von nichts geringerem als dem Angriff Rußlands auf die Ukraine, nachdem ihr Überfall auf Estland von der NATO zurückgeschlagen worden war. Die Parallelität zu heutigen Ereignissen, dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022, ist ausgesprochen beunruhigend. Ebenso wurden vom Autor die Annexion der Krim 2014 und die Destabilisierung des Donbass durch Russland vorweggenommen. („Wolodin möchte die Krim und die südliche Ukraine an Rußland anschließen. Er weiß jedoch, daß es viel schwerer für ihn wird, wenn die Ukraine erst einmal NATO-Mitglied ist. Er muß also möglichst schnell handeln, um dem zuvorzukommen.“ Kapitel 7) Wolodin - wen wundert es jetzt noch - wird mit einem Putin sehr ähnlichen Lebenslauf vorgestellt.

Prominent wird die Abhängigkeit westlicher europäischer Staaten vom Erdgas Russlands thematisiert. Auch die erfolglosen Bemühungen der Ukraine, in die NATO aufgenommen zu werden, spielen eine Rolle. Man weiß es nicht, aber hätte es vielleicht etwas genutzt, wenn politisch Verantwortliche des westlichen Europa diesen spannenden Roman bei seinem Erscheinen gelesen hätten?

RS

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Umberto Eco: Der Name der Rose

Man schreibt das Jahr 1327: Eine Serie von unerklärlichen Todesfällen erschüttert die Glaubensgemeinschaft in einem Benediktinerkloster. William von Baskerville, ein Franziskaner, wird um Hilfe gebeten. Die Spur führt zur Klosterbibliothek, wo das verschollene 2. Buch der Poetik des Aristoteles eifersüchtig bewacht und verborgen wird. Denn in diesem Werk wir die Philosophie des Lachens behandelt, die Komödie beschrieben … Lachen ist aber eine Ketzerei, jedenfalls zu diesen Zeiten …   GS

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George Eliot: Middlemarch

Bemerkenswert an Büchern ist, daß es sich nie voraussagen läßt, ob und über welchen Zeitraum sie intensiv gelesen werden, ob sie den Zeitgeist überdauern oder - wie so viele - vergessen werden. In diesem Kontext interessant: 2015 wählten über achtzig nicht-britische Literaturkritiker und Literaturwissenschaftler  Middlemarch, erschienen 1874,  zum bedeutendsten britischen Roman.*) 

2019 erschienen zwei Neuübersetzungen. Der Roman - eine Studie über das Leben in der Provinz - gilt als Hauptwerk von George Eliot. Das englische Landleben wird differenziert beobachtet, genauestens analysiert und ist mit humorvoller Distanz brillant geschrieben. Welche Übersetzung die „bessere“ ist - dies’ Urteil sei den Lesern überlassen. Noch besser: Im Original lesen.

*)S.a. Wikipedia: BBC-Auswahl der 100 bedeutendsten Romane

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Giuliano da Empoli: Der Magier im Kreml

Giuliano da Empoli war stellvertretender Bürgermeister für Kultur in Florenz und leitender Berater des italienischen Premierministers Matteo Renzi. Er ist Professor für vergleichende Politikwissenschaft an der internationalen Forschungsuniversität Sciences Po Paris, Gründer des Think Tank Volta und wurde für seinen Debütroman „Le Mage du Kremlin“ mit dem „Grand Prix du roman de l’Acedémie française“ ausgezeichnet.

Wie inszeniert man Macht? Das ist Thema des Romans. Der Protagonist, Vadim Baranow, Produzent von TV-Shows, wird zum Spindoktor Putins, errichtet ein absolutistisches Regime voller Intrigen und Gewalt, gestützt durch Propaganda und Fake-News. Der Protagonist soll ein reales Vorbild haben - Wladislaw Surkow, bis 2020 Berater von Putin, seitdem spurlos verschwunden - reale Personen begegnen uns auch sonst in diesem Roman. Aber: „Alle Fakten sind real, die Dialoge sind erfunden“, sagt da Empoli in einem Interview mit der NZZ. Hochspannung ist garantiert.

GS 2023

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Ein konzentrierter Angriff auf die Lachmuskulatur:

Loriot: Gesammelte Prosa (Diogenes 2006)

Der Große Heinz Erhardt (Lappan 2020) 

Wappnen Sie sich für die kalte Zeit, wo die Familie sich um ihr Oberhaupt versammelt, der Kamin knistert, die Bratäpfel im Rohr duften und die große Zeit des Vorlesens anbricht. Viel Heiterkeit steigt bei Loriots Frühstücksei auf. Ein Sketch, den man auch mit verteilten Rollen lesen kann. Oder man nehme die nicht nur bei Sprachbegabten beliebte Zusammenfassung der sieben Folgen des englischen Fernsehkrimis Die zwei Cousinen, wo es um den Landsitz North Cothelstone von Lord und Lady Hesketh-Fortescue und ihre Cousinen Priscilla und Gwyneth Molesworth aus Nether Addlethorpe und Middle Fritham geht. Eine wundervolle Gaumen-Mund-Zungen-Übung, die immer wieder zur Nachahmung verführt und von Evelyn Hamann einst in Vollendung demonstriert wurde. Kurz und gut: Das rund 750seitige Büchlein von Loriot ist schlicht ein Klassiker für fröhliche Stunden.

Ebenso selbstverständlich Heinz Erhardt, der Sprach-, Wort- und Sinnes-Jongleur, bei dem ein Reim sich dem anderen ergibt, in schönste Mißverständnisse gekleidet und mit erstaunlichen Erkenntnissen versehen. Hier als Beispiel Die Artverwandtschaft

"Klingling, so klingts im Großen Belt.

Das ist der Schellfisch, der da schellt.

Er klingelt, nur gemütlicher,

wie die Gebirgskuh südlicher. -

 

Das war bis heute unbekannt, 

daß Kuh und Schellfisch artverwandt." 

Praktisch nichts, was Heinz Erhardts Sprachskalpell entgehen könnte. Das macht der ganzen Familie viel Spaß!

RS

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Edna Ferber Giganten

Edna Ferber, eine bei uns fast vergessene US-amerikanische Schriftstellerin, bekam 1925 für ihr Buch „So big“ den Pulitzer Preis. Sie schrieb Romane, Erzählungen und Theaterstücke, viele ihrer Werke wurden verfilmt - so beispielsweise „Giganten“ oder „Show Boat“, als Musical. 

Der Roman „Giganten“, erschienen 1952, ist eine rund dreißig Jahre umspannende Familienchronik, gleichzeitig eine kritische Darstellung der USA zu dieser Zeit. Das Buch wurde damals in Texas kontrovers diskutiert: Die Protagonistin des Romans, eine aus Maryland stammende Arzttochter namens Leslie, setzt sich in Texas, der Heimat ihres Ehemannes Jordan „Bick“, immer wieder für die Rechte der Mexikaner ein, was zu erheblichen Spannungen unter den Eheleuten als auch in der texanischen Gesellschaft führt. 

Film:

Giganten (R/B: George Stevens/ Fred Guiol, Ivan Moffat. Musik: Dimitri Tomkin. Mit Liz Taylor, Rock Hudson, James Dean, Dennis Hopper. USA 1956. 196 Minuten).

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F. Scott Fitzgerald Der große Gatsby 

(The Great Gatsby, 1925)

Die Geschichte von Jay  Gatsby, der fest daran glaubt, durch Reichtum seine verloren gegangene große Liebe beeindrucken und wiedergewinnen zu können, ist meisterhaft  komponiert und raffiniert erzählt: Nämlich aus der Sicht des an sich von den Geschehnissen und Emotionen nicht betroffenen Nachbarn Nick Carraway – der einzige aus Gatsbys illustrer und teilweise bizarrer Entourage, der sich für den Menschen Jay interessiert. Die Novelle gehört zu den Klassikern der amerikanischen Literatur, nicht zuletzt wegen eines gekonnten Erzählstils und einer geschliffenen Sprache: Ironisch-distanziert, wenn es um die Befindlichkeit der Protagonisten des „Jazz Age“ geht, in vielen Passagen poetisch, im Rückblick sachlich-analysierend. Die Dialoge treffen punktgenau den jeweiligen Charakter des Sprechenden. Es gibt viele Übersetzungen. Ein Vergleich lohnt sich.   GS

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Richard Harris: Intrige

Dieses Buch nimmt einen gefangen. Es ist hervorragend recherchiert und authentisch. Erzählt wird die Geschichte eines Justizirrtums und eines der größten Skandale, die Frankreich je erschütterten. So wurde der französische  Hauptmann Alfred Dreyfus, ein jüdischer Elsässer, 1894 vom Französischen Kriegsgericht wegen Spionagetätigkeit zugunsten des Deutschen Kaiserreiches zu lebenslanger Haft verurteilt und auf die Teufelsinsel vor der Küste von Französisch-Guayana verbannt. Der um Dreyfus' Rehabilitierung ringende Chef des Französischen Auslandsgeheimdienstes, Major Marie-Georges Picquart, sowie Émile Zola und viele andere, authentische Personen der Zeit verleihen Robert Harris' Roman historische Dichte und Wahrhaftigkeit. - GS

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Carsten Henn: Der Buchspazierer

Nach Geschäftsschluß bringt der Buchhändler Carl Bücher zu besonderen Kunden, die ihm wie Freunde sind. Er sucht die Bücher aus wie ein passendes „Medikament“. Eines Tages begleitet ihn die neunjährige Sascha, sie nennt ihn „Buchspazierer“. Bald erwarten die Kunden nicht mehr nur Carl, sondern auch die schlagfertige, kluge Sascha. Ein Schicksalsschlag ereilt Carl, und durch Solidarität kommt er darüber hinweg. - Die Geschichte zeigt, was Bücher so wunderbar macht, und ist herzerwärmend geschrieben.

Gastrezension R.G.

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Ein Kommentar

„Es war sehr früh am Morgen, die Straßen rein und leer, ich ging zum Bahnhof. Als ich eine Turmuhr mit meiner Uhr verglich, sah ich, daß es schon viel später war, als ich geglaubt hatte, ich mußte mich sehr beeilen, der Schrecken über diese Entdeckung ließ mich im Weg unsicher werden, ich kannte mich in dieser Stadt noch nicht sehr gut aus, glücklicherweise war ein Schutzmann in der Nähe, ich lief zu ihm und fragte ihn atemlos nach dem Weg. Er lächelte und sagte: ‚Von mir willst Du den Weg erfahren?‘ ‚Ja‘ sagte ich ‚da ich ihn selbst nicht finden kann‘ ‚Gibs auf, gibs auf‘ sagte er und wandte sich mit einem großen Schwunge ab, so wie Leute, die mit ihrem Lachen allein sein wollen.“

Franz Kafka (1883 - 1924)

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Vincent Klink: Ein Bauch spaziert durch Venedig

Eine Reisebeschreibung der besonderen Art. Der Stuttgarter Sternekoch, Inhaber der „Wielandshöhe“, reist mit seiner Tochter „ins Land, wo die Zitronen blühen“. Mit im Gepäck die Betrachtungen einiger Reisender vor ihm: Michel de Montaigne, Goethe … Es ist eine gemütliche Reise mit dem Auto von der Schwabenmetropole in die Lagunenstadt, durch Südtirol und Venetien. Eine Reise mit vielen Zwischenstopps, um Land und Leute, Kunst und Kulinarik, Architektur und Atmosphäre zu genießen. Literarisch ein Sternemenü, weil höchst vergnüglich und behaglich zu lesen mit vielen neuen Genußmomenten. Man erfährt viel: Über Giotto beispielsweise und über die Geschichte Venedigs, über die Zubereitung von Sarde in saòr (marinierte Sardinen) und über komfortable Herbergen. Und auch, warum Italien wohl immer ein Sehnsuchtsort bleiben wird.  GS

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Giuseppe Tomasi di Lampedusa: Der Leopard

Der Roman erschien 1958, ein Jahr nach dem Tod des Autors bei Feltrinelli, einem bedeutenden italienischen Verlag, und galt - auch wegen seines großen Erfolges -  schnell als Klassiker der modernen italienischen Literatur. Der Autor schriebt über die Zeit 1860 bis 1910, basierend auf der Geschichte seiner eigenen Familie. Das große Thema ist der schleichende Niedergang des sizilianischen wie auch des nationalen Adels im Zuge des Risorgimentos, der Vereinigung Italiens und des Siegeszuges von Garibaldi. Di Lampedusa schafft mit seiner faszinierenden, bildhaften Sprache ein Gemälde des unter der brütenden Sonne und der sozialen und technischen Rückständigkeit leidenden Siziliens. Ein wunderbares Buch in der neuesten Übersetzung von Burkhart Kroeber (2009).  RS

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Mariana Leky: Kummer aller Art

Mariana Leky ist eine Meisterin des hintergründigen und leisen Humors. Diese Kolumnensammlung handelt von Menschen, deren Leben irgendwie in Unordnung geraten ist. Wobei - gibt es eigentlich ein durch und durch ordentliches Leben? Oder gibt es nur die mit der Zeit erlernte Fähigkeit, den eigenen Unzulänglichkeiten und den allgemeinen Unwägbarkeiten eine distanzierte und damit handhabbare Sichtweise abzugewinnen? „Alle wirken äußerlich blitzblank, nur in unserem Innern sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa …“ stellt einer der Protagonisten fest.

Wie wahr! Das Buch ist eine Art literarischer Erste-Hilfe-Kasten, wenn mal wieder der Himmel einzustürzen droht.   GS

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🎄 O’Henry: Das Geschenk der Weisen und andere Weihnachtserzählungen

Manche sagen „Das Geschenk der Weisen“ sei die schönste Weihnachtsgeschichte überhaupt. Hier sind insgesamt vier Short Stories von William Sydney Porter - Künstlername O’Henry - vereint. Am Ende ein kurzer Abriß über das abwechslungsreiche Leben des Autors (1862-1910). Die Kurzgeschichten sind ungewöhnlich, liebevoll, tragisch, komisch, bewegend. Immer auch mit einer Botschaft, die besonders zu Weihnachten anrührt. Bestens zum Vorlesen geeignet - an allen drei Weihnachtstagen und an Silvester … - GS

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George Orwell: Farm der Tiere

Das neben 1984 bekannteste Werk des englischen Schriftstellers und Journalisten George Orwell (1903 - 1950) ist die bittere Kritik des überzeugten Sozialisten und Spanien-Kämpfers an der russischen Revolution, der Diktatur Stalins und der Kommunistischen Partei. Die Revolution der Tiere, die sich in seinem utopischen Roman anfangs erfolgreich gegen die Herrschaft der Menschen und deren Ausbeutung auflehnen, endet in einer noch stärkeren Unterdrückung durch ihresgleichen. Die Herrschaft der Schweine (der Bolschewisten) kulminiert in dem finalen Gebot: Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher.

Die Entsprechungen der Tiere mit den handelnden Personen und Gesellschaftsklassen Russlands sind ebenso vielfältig wie treffend: Der Eber Napoleon symbolisiert Stalin, der recht bald seinen Partner Schneeball (Trotzki) durch seine Hundemeute (Geheimdienst NKWD) vertreiben läßt. Die Politik des Diktators propagiert und erklärt das kleine, dicke Schwein Quiekschnauz (Molotow). Die drei Klassen der Gesellschaft werden von den Pferden Boxer (das hart arbeitende,Proletariat), Kleeblatt (gebildete Schichten) und Mollie (Bourgeoisie) dargestellt. 

Mr. Pilkington, Inhaber der Fuchswaldfarm, versteht sich anfangs gut mit Napoleon und kooperiert mit ihm. Hier wird der Vergleich zu den westlichen Mächten USA und Großbritannien gezogen. Auch Mr. Frederick (Hitler) macht anfangs Geschäfte mit der Farm der Tiere, bis es zu Streit und Krieg kommt.

George Orwell veröffentlichte seinen utopischen Roman 1945. Grundlage waren unter anderem seine Erfahrungen im Spanischen Bürgerkrieg mit fanatischen Bolschewisten. Seine Veröffentlichung gestaltete sich jedoch äußerst schwierig. Viele Verleger lehnten den Druck ab, auch auf Anraten britischer Regierungsstellen. Schließlich fand sich der Verlag Secker & Warburg bereit zur Veröffentlichung. Ein Jahr später erschien Animal Farm in den USA.

Bis zur Wende in den 90er Jahren war das Werk in den Ostblock-Ländern verboten. WIKI (Farm der Tiere) hält fest: „Westliche Geheimdienste versuchten unter der Führung der CIA den Roman von 1952 bis 1959 zu tausenden mittels 3-Meter-Ballonen von drei Startplätzen in Westdeutschland aus im Ostblock zu verbreiten. Die Luftwaffen Polens, Ungarns und der Tschechoslowakei hatten den Auftrag, diese in der Operation Aedinosaur gestarteten Ballone abzuschießen, aufgefundene Bücher sollten zerstört werden.“ - RS

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George Orwell: 1984

Wie viele Menschen vor mir werden 1984 von George Orwell gelesen haben, ein Buch, das er 1948 schrieb? Die Angst vor einer diktatorischen Zukunftsgestaltung voller Leid und Gewalt, Manipulation und Unterdrückung, Demütigung und Umerziehung dürfte ein treibendes Moment sein, weshalb 1984 heute, 73 Jahre später, immer noch Millionen Leser anzieht.

Laut WiKi wurde das Buch 1999 in Frankreich auf Platz 22 der Liste der 100 besten Bücher des 20. Jahrhunderts gewählt. Im Januar 2017 landete es auf der Amazon-Bestseller-Liste in den USA auf Platz 1. In der DDR war es als staatsfeindliche Hetzschrift verboten. Für Lektüre und Verleih drohten Zuchthausstrafen.

Der Inhalt sei kurz zusammengefaßt: Der Protagonist Winston Smith arbeitet im Ministerium für Wahrheit* und will sich, weil er den Glauben an den Großen Bruder (Big Brother is watching you) verliert, Menschen anschließen, die  sich im Widerstand zu den diktatorischen Verhältnissen befinden. Winston ist interessiert an der Vergangenheit. Dies um so mehr, als eine seiner Hauptaufgaben darin besteht, im *Miniwahr (Kurzform) die Vergangenheit nach den aktuellen Bedürfnissen der Diktatur umzuschreiben und so die Geschichte der Menschen und ihrer Beziehungen kontinuierlich zu löschen, so daß die Lüge als Bestandteil der Geschichte zur Wahrheit wird. Ein Mittel zur Umerziehung ist hierbei die Amtssprache Neusprech, die kontinuierlich die Alltagssprache auf die Bedürfnisse der herrschenden Partei herunterbricht. Die Wirklichkeit: Umerziehungs- und Folterlager, heißen Lustlager; aus Krieg wird Frieden, aus Unwissenheit Stärke.

Auf der Suche nach Bundesgenossen gerät er in die Fänge der Gedankenpolizei des Ministeriums für Liebe (Minilieb). Hier wird er im Raum 101 einer langen Folter unterzogen und erinnert sich nach dem letzten Umerziehungsschritt nicht mehr an seine Sehnsucht nach Freiheit.

George Orwell schließt sein 1984 mit einer längeren Abhandlung über die Grundlagen von Neusprech und verdeutlicht den Sinn dieser sprachlichen Vergewaltigung, indem er den Beginn der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung zitiert und feststellt: „Es wäre ganz unmöglich gewesen, dies in Neusprech wiederzugeben und dabei den Sinn des Originals zu erhalten. Am nächsten käme man der Lösung, wenn man die gesamte Passage in einem einzigen Wort aufgehen ließe: Deliktdenk.“ (S. 398)  RS

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Theresa Präauer: Kochen im falschen Jahrhundert

Vorhang auf für ein belletristisches Kammerspiel in mehreren Gängen und Variationen! Versammelt ist das intellektuelle Biedermeier. Es weiß sich nichts eigentlich Neues zu erzählen: Es ist vielmehr ein Schlagabtausch gängiger Ansichten, in der Hoffnung auf Zustimmung - was nicht immer gelingt. Garniert mit passenden „Verzehr-Empfehlungen“ und Musiktiteln von Barock bis Brönner wird mit viel Humor ein Lifestyle-Milieu begutachtet.  GS

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Christoph Ransmayr: Cox oder Der Lauf der Zeit

Alistair Cox, ein englischer Uhrmacher, reist im 18. Jahrhundert zusammen mit drei Gefährten nach China: Er soll für den gottgleichen Kaiser Qiánlóng Uhren - besser vielleicht: Automaten -  bauen, die die Zeit abbilden, einfangen - gar bändigen? Der chinesische Herrscher gebietet über Mensch und Tier, über Schicksale und Jahreszeiten. Wenn er also auch noch über die Zeit verfügen könnte...? Cox soll ihm zuerst eine Uhr bauen, die die Kindheit zeigt, dann eine, die den Tod verkörpert und zuletzt einen Automaten, der die Ewigkeit abbildet. Cox, zutiefst unglücklich seit dem Tod seiner Tochter, findet in der langen Reise zu einer fremden Kultur und in der Auseinandersetzung mit Kindheit, Tod und Ewigkeit zu sich selbst. 

Faszinierend ist Ransmayrs Stil: Es gelingt ihm, mit wenigen Worten, in wenigen Absätzen, farbenprächtige Welten entstehen zu lassen, komplexe Geschichten zu erzählen, Tiefgründiges mitzuteilen. Bestechend die Uhren, die Cox erfindet! Überraschend und im wahren Wortsinn genial ist der Schluß, die Uhr der Ewigkeit...

Historisch verbürgt: Es gab im 18. Jh. einen Automatenbauer James Cox, der versuchte, ein Perpetuum Mobile zu bauen. Auch lieferte er viele Uhren an den Kaiser Qiánlóng.

Aber alles andere ist Fiktion! Erdacht von Christoph Ransmayr. Nicht wirklich, aber wahr.   GS

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Tonio Schachinger: Echtzeitalter

Der 31jährige österreichische Autor erhielt mit diesem Coming-of-Age-Roman den Deutschen Buchpreis 2023. Die Geschichte spielt in einem Wiener Eliteinternat mit einem autoritären Lehrer, der mit seinem Lehrstoff und mit seinen Erziehungsmethoden aus dem frühen 20. Jahrhundert zu kommen scheint - aber vielleicht übersieht man angesichts des vermeintlich fortschrittlichen Zeitgeistes nur allzu gern, daß sich wesentliche Dinge gar nicht geändert haben. Till Kokorda, der Protagonist, entflieht dem spätbürgerlichen Bildungskanon, dem versnobten Internatsmilieu und den autoritären Zwängen in die virtuelle Welt: Das Echtzeit-Strategiespiel „Age of Empires 2“ ist sein Fluchtpunkt, dort avanciert er zu einem der Top-Ten-Spieler der Welt. Ganz nebenbei und mit leichter Feder tiefgründig geschrieben wird auch die aktuelle Befindlichkeit des Bürgertums (nicht nur in Wien) humorvoll beleuchtet. 

GS 2023

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Frank Schätzing*: Breaking News

Breaking News - ein Thriller? Ein Geschichtsbuch? Eine aktuell-politische Zustandsbeschreibung der israelisch-palästinensischen Konflikte? Ein Teil von jedem: Tom Hagen, ein erfahrener Krisenreporter, gerät zwischen die Fronten palästinensischer Aufständischer und israelischer Geheimdienste. Viel Action ist eingebettet in die Geschichte zweier Familien, beginnend in den 1930er Jahren, aus denen eine Person maßgeblich die Geschicke Israels bestimmen wird: Ariel Scharon.

Breaking News ist lesenswert für alle, die nicht unbedingt einen reinen Thriller erwarten und an der Geschichte Palästinas und Israels interessiert sind. Sich hier vorab Grundkenntnisse zu verschaffen dürfte hilfreich sein. RS

*Geboren 1957 in Köln, anfangs in der Werbebranche, seit 1990 zunehmend als Schriftsteller tätig (u.a. Lautlos, Der Schwarm)

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Robert Seethaler: Das Café ohne Namen

Man schreibt das Jahr 1966. Robert Simon, Gelegenheitsarbeiter auf dem Karmelitermarkt in Wien, erfüllt sich einen Traum: Er pachtet eine heruntergekommene Gastwirtschaft und eröffnet ein Café mit bescheidenem Angebot. Da gibt es Kaffee, Himbeersaft und Bier, auch einen Weißen und einen Roten, ein Schmalzbrot mit und ohne Zwiebeln … Es kommen die Gäste, und mit ihnen Geschichten von unerfüllten und erfüllten Träumen. Es ist Seethalers besonderer Stil, der anrührt und gefangen nimmt: Der Blick für die wesentlichen Kleinigkeiten des Lebens, die so ungeheuer wichtig sind. Ein liebenswürdiges Buch.  GS

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Nicholas Sparks: Wie ein einziger Tag

Zwei Siebzehnjährige verlieben sich und erleben gemeinsam einen wunderschönen Sommer. Doch dann muss Allie auf Wunsch ihrer Familie den Urlaubsort verlassen. Noah hört 14 Jahre lang nichts mehr von ihr, er will keine neue Bindung eingehen. Als Allie kurz vor der Hochzeit mit einem Anwalt steht, möchte sie den Mann von damals, den sie nie vergessen konnte, noch einmal sehen. Es wird eine Begegnung mit ihr selbst. -  Ein sehr berührender Roman.

Gastrezension von R.G.

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Jules Verne: Reise zum Mittelpunkt der Erde

Im Jahr 1864 schrieb dieser vielseitige, im französischen Nantes geborene Autor seinen futuristischen Klassiker, der heute wie damals breite Leserschichten fesselte und über die Jahre in mehreren Ländern Verfilmungen erfuhr.

Zur utopischen Geschichte: Der deutsche Professor Lidenbrock entziffert mit Hilfe seines Neffen Axel eine isländische Runenschrift von Snorri Sturluson, die ihn veranlaßt, Island zu besuchen und in den Krater des Vulkan Snæfellsjökull hinabzusteigen. Begleitet wird er von Axel und dem isländischen Helfer Hans. Die spannende, gefährliche 5000 Kilometer lange Reise unter Land und Meer läßt sie viele Abenteuer bestehen und wissenschaftliche Erkenntnisse sammeln. Dem Tode entrinnen sie nur knapp, als sie vom Stromboli schließlich ausgespuckt werden und in Hamburg der wissenschaftlichen Fachwelt ihre Erlebnisse stolz präsentieren.

Allein mit dieser phantastischen Geschichte (und es gibt Dutzende) hat Jules Verne Generationen immer wieder fasziniert. Nach ihm benannte die Europäische Raumagentur einen unbemannten Weltraum-Transporter. Eine Segelboot-Trophy (Weltumrundung - was sonst) trägt seinen Namen ebenso wie ein französischer Gebirgszug, ein Mondkrater, ein Berg in der Antarktis. Um das Wesentliche zu nennen. - RS 

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Martin Walker Bruno, Chef de Police - und 14 weitere Bände

Das Périgord liegt im Südwesten von Frankreich und ist bekannt für seine variationsreiche Landschaft, für eine reiche Geschichte, die bis in die Steinzeit zurückreicht, und für seine herausragende Küche mit Gewürzen, Trüffeln und Entenfett - beispielsweise. Martin Walker, der schottische Historiker, politische Journalist und erfolgreiche Schriftsteller, hat dieser seiner Wahlheimat mit nunmehr 15 Bänden über „Bruno, Chef de police“ ein Denkmal gesetzt. Es sind „Wohlfühlkrimis“ mit sympathischen Menschen, die für Recht und Ordnung und gutes Klima im Dorf, bei Hunden, Pferden, Hühnern und Mitmenschen sorgen, immer auch eine geglückte Verbindung zwischen Historie, Politik, gutem Essen, erlesenen Weinen und Entertainment! Es empfiehlt sich, die Bücher auch mal im Original zu lesen: Den sechzehnten Band - A Chateau Under Siege (The Dordogne Mysteries) - gibt es aktuell nur in der englischen Ausgabe, auf die Übersetzung muß man noch ein bißchen warten.

Tipp: Auf You Tube gibt es  „Martin Walker - Mein Périgord“ - GS

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Martin Walker: Germany 2064

Der als Autor der „Chef de Police Bruno“-Krimis bekannte Walker ist Mitglied in einer internationalen Beratungsgesellschaft, die Zukunftsszenarien auf wissenschaftlicher Basis entwarf. Darauf aufbauend schrieb er einen spannenden Zukunfts-„Roman“. Darin gibt es zwei Welten: hochtechnisierte Städte mit ständiger Beobachtung der Bewohner, die Gesundheitschips implantiert haben, autonom fahrende Logistic-Konvois, Roboter. Sowie die freien Gebiete, wo Öko-Aussteiger, die Freiländer, leben, die alles, was nach 1980 erfunden wurde, ablehnen. Bei einem Konzert wird eine Sängerin entführt, Kommissar Aqular versucht, mit Hilfe seines Roboters zu ermitteln. Der Leser wird mit Zukunftsentwürfen, von denen heute schon einige Realität sind, konfrontiert und mit Denkanstößen belohnt, sich damit näher zu beschäftigen. - Gastrezension R.G.

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Franz Werfel: Das Lied von Bernadette

 Franz Werfel ist ein Autor, der zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. So – stellt man sich vor – müssen Romane geschrieben werden: Aus Sprache eine Welt malen. Der Inhalt? – Franz Werfel – auf der Flucht vor den Nazis - kommt Ende Juni 1940 mit seiner Frau nach Lourdes und kann sich dort mehrere Wochen verbergen, bevor die Familie schließlich nach Amerika emigrieren kann. In den Wochen zwischen Angst und Hoffnung legt Werfel ein Gelübde ab: "Werde ich herausgeführt aus dieser verzweifelten Lage und darf die rettende Küste Amerikas erreichen ... dann will ich als erstes vor jeder anderen Arbeit das Lied von Bernadette singen, so gut ich es kann." (Werfel, Franz: Das Lied von Bernadette – Ein persönliches Vorwort, Los Angeles, im Mai 1941). Es ist also die Geschichte von Bernadette Soubirous und den Wundern von Lourdes. Meisterhaft, anrührend und ausgesprochen plastisch erzählt.  GS 

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Stefan Zweig: Schachnovelle

Das Werk, das in der Person des Erzählers auch autobiographische Züge trägt, schildert in großer Eindringlichkeit, welchem Druck Menschen ausgesetzt sind, die sich in Isolationshaft befinden und gegen die Zerstörung ihrer Person ankämpfen.

Die Rahmenhandlung der Schachnovelle spielt auf einem Passagierdampfer auf dem Weg von New York nach Buenos Aires. Der Ich-Erzähler, ein österreichischer Emigrant (wie auch der Autor), sucht den Kontakt zum amtierenden Schach-Weltmeister Czentovic, einem ehemaligen einfachen Bauernjungen mit dem einmaligen Talent zu überragendem Schachspiel. Eine Partie kommt zustande, in der der wohlhabende, ehrgeizige Ingenieur McConnor schließlich gegen Czentovic ein Remis herausholt, das auf den Ratschlägen eines Dr. B. resultiert. Weitere Partien werden vereinbart.

Der Erzähler sucht die Nähe von Dr. B., der ihm von seiner besonderen Beziehung zum Schachspiel berichtet. Letzterer war über viele Monate als Vermögensverwalter von österreichischem Adel und Klerus Gefangener der Nationalsozialisten, eingesperrt in einem Zimmer des Hotels Metropol in Wien. Er war täglichen Verhören seiner Peiniger ausgesetzt, denen es um den Zugang zu Bankkonten und Besitzungen seiner Klienten ging. Einzige Lektüre, die Dr. B. in seine Isolationshaft schmuggeln konnte, war ein Schachbuch mit Partien der Weltbesten. Diese lernte er auswendig und spielte zunehmend gegen sich selbst, in völliger Abgeschiedenheit und nur in seiner Vorstellung. Mehr und mehr Wahnvorstellungen suchten ihn heim, seine Persönlichkeit spaltete sich in „Ich Weiß“ und „Ich Schwarz“. Schließlich wurde Dr. B. in ein Spital eingeliefert, sein Arzt unterstützte erfolgreich seine Entlassung.

Jetzt hier, auf dem Schiff, willigt er ein, gegen Czentovic eine einzige Partie zu spielen. Er gewinnt sie und droht, wieder der „Schachvergiftung“ zu verfallen und weitere Spiele zu bestreiten, wovor ihn allerdings der Erzähler bewahren kann. Dr. B erklärt abschließend, nie wieder Schach zu spielen.

Die erste Ausgabe der Schachnovelle erschien auf portugiesisch 1942 in Rio de Janeiro. Hier, im brasilianischen Exil, hatte Stefan Zweig sie verfaßt. In deutscher Sprache erschien sie posthum 1942 in Buenos Aires, bevor sie 1943 im Stockholmer Exilverlag von G.B. Fischer  erstmalig in Europa in die Buchläden kam. Dieser „Glücksfall ausgereifter Erzählkunst“ (Germanist Rüdiger Görner) wurde 1960 mit Curd Jürgens und Mario Adorf unter der Regie von Gerd Oswald verfilmt. Das Büchlein erzielte im Laufe der Jahre eine höhere Millionenauflage, in vielen Schulen war es eine Pflichtlektüre.   RS

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Kai Bird, Martin J.Sherwin: J.Robert Oppenheimer -  Die Biografie

30 Jahre lang haben die beiden Autoren das Leben des brillanten Physikers J.Robert Oppenheimer recherchiert. 2006 erschien diese überaus spannende Biografie - gleichzeitig ein Stück Zeitgeschichte -  und wurde mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet. Sie war auch Vorlage zum Film Oppenheimer (Regie: Christopher Nolan, Kinostart 2023). 

Es gelingt den beiden Autoren hervorragend, die außerordentliche Begabung und  immense Ambivalenz des Menschen Oppenheimer darzustellen. Als Leiter des „Manhattan-Projekts“ wird er nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki (6.8. und 9.8 1945) zum engagierten Verfechter gegen den Einsatz nuklearer Waffen. Deshalb wird er während der McCarthy-Ära verdächtigt, bespitzelt, verhört, damit entehrt. 1963 rehabilitiert durch John F. Kennedy. Oppenheimer starb 1967.  GS

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Edited by Steve Christ: The Polaroid Book - - 254 Photographs by 203 Artists 

Empfehlenswert für reifere Semester, aber nicht ausschließlich. Auch für Teenager, die mit ihrem Handy alles ablichten, was irgendeinen „Abdruck“ auf dem Sensor hinterläßt. THE POLAROID BOOK gibt Aufschluß: So fotografierten die Alten/ Uralten mit einer 1933 entwickelten Technik im Sofortbild-Verfahren spannende, ansprechende bzw. für sich sprechende Motive. Besser als die Jungen? Die Sammlung von 254 Fotos von 203 Bildkünstlern ist retro und aktuell zugleich. - RS 

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Gerd Danigels: Schöner unsere Paläste 

Mit Gerd Danigels Schwarz-Weiß Fotografien taucht der, der jenseits der Mauer wohnte, in eine andere Welt ein. Das zweite Berlin, Hauptstadt der DDR. Menschen in einer anderen Lebenswelt. Hier kann man einiges über den Alltag im real existierenden Sozialismus lernen. Danigel fotografiert zurückhaltend, sucht nicht die Pose, das Arrangement. Er bildet das Leben in beeindruckenden Fotos ab. Etwa wie der junge Stanley Kubrick, der in den ersten Jahren als Street Reporter in New York unterwegs war. - RS

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Annette Dittert: London Calling

Die ARD-Korrespondentin lebt auf einem Hausboot und erzählt über das Leben der Engländer, deren Eigenheiten, wie es zum Brexit kam und dessen mögliche Folgen. Sie berichtet liebevoll von Orten und Menschen, die in keinem Reiseführer vorkommen. RG

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Alain Finkielkraut Vom Ende der Literatur: Die neue moralische Unordnung

Romane, Erzählungen, Dramen, Märchen - Literatur wird umgeschrieben von selbsternannten Wächtern über die vermeintlich einzig richtige Denk- und Schreibweise. „Cancel Culture“ hat Einzug in den Kulturbetrieb gehalten: Was nicht den autoritären Denkmustern entspricht, wird angeklagt und degradiert. Ähnlich wie die radikalen Jakobiner im Frankreich des ausgehenden 18. Jahrhunderts sind die selbsternannten „Tugendwächter“ unterwegs, die von ihren totalitären Denkmustern abweichenden Meinungen zu brandmarken. Es geht nicht um Debatte und Diskussion, sondern um Vernichtung „abweichender“ Meinungen. Auf dem Spiel steht die Freiheit der Kunst - und damit die Freiheit des Individuums. - GS

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Manfred Geier: Worüber kluge Menschen lachen: Kleine Philosophie des Humors

Ein zweitausendjähriger Streifzug durch das „Land des Lachens“: Beginnend mit Platon - er trieb der Philosophie das Lachen aus - über Kant, der viel Humor besaß zu Karl Valentin, der die Menschen zum Lachen brachte. Vielleicht liegt es ja gar an Platon, daß wir immer noch zwischen U- und E-Musik unterschieden und unsere Unterhaltungsliteratur im Bücherregal hinter Werken verstecken, die uns „gebildet“ erscheinen lassen sollen …  GS

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Domenico Gentile  Casalinga - Die Küche der süditalienischen Hausfrauen

Die Küche der süditalienischen Hausfrau, vorgestellt von dem Koch und Autor persönlich. Er nimmt uns mit nach Lazio und Puglia, Campania, Calabria und Sicilia. Er bringt uns liebevoll die einfache Cucina Italiana näher. Die notgedrungen preiswerte Küche der Bauern und Winzer, die ihre Schwerpunkte in Gemüse und Brot, in Würsten und Fisch hat und gegenüber dem wohlhabenden Norden Italiens häufig von dem leben muß, was in der Region angebaut wird. Domenico Gentile garniert seine Rezepte mit stimmungsvollen Bildern des italienischen Südens. - RS 

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Rolf Hosfeld: Heinrich Heine - Die Erfindung des europäischen Intellektuellen

Die Biographie des Journalisten Hosfeld zeigt Heinrich Heine (der sich selbst als „entlaufenen Romantiker“ bezeichnete) als kritischen Seismographen seiner Zeit und als einen der ersten Europäer:  Zwischen Nationalismus und Populismus, Restauration und Biedermeier erleben wir einen Schriftsteller, der mit den Vorstellungen, die mit der Romantik im allgemeinen verbunden sind, gründlich aufräumt.  GS

Heines Verse aus „Deutschland- Ein Wintermärchen“ sind grade wieder sehr aktuell:

„…Sie sang das alte Entsagungslied

Das Eiapopeia vom Himmel,

Womit man einlullt, wenn es greint,

Das Volk, den großen Lümmel.

Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,

Ich kenn auch die Herren Verfasser;

Ich weiß, sie tranken heimlich Wein

Und predigten öffentlich Wasser….“

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Wiebke Hüster: Birgit Keil. Glück ist, wenn auch die Seele tanzt

Das „Stuttgarter Ballettwunder“ entstand Anfang der Sechziger Jahre mit dem wegweisenden Choreografen John Cranko und herausragenden Solisten wie Richard Cragun, Egon Madsen, Marcia Haydée, Susanne Hanke, Birgit Keil, Vladimir Klos, um nur einige zu nennen. Die Biografien der beiden Tänzer Vladimir Klos und Birgit Keil vermitteln eine persönliche Sicht auf die Entwicklung des Stuttgarter Balletts zu einer der führenden Ballettkompagnien der Welt, gleichzeitig sind sie ein Stück Zeitgeschichte. - GS 

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Hellmuth Karasek: Billy Wilder - Eine Nahaufnahme

Wer Filme von Billy Wilder mag, kommt um dieses Buch einfach nicht herum. Wie denkt, fühlt, arbeitet dieser Mann, der Filme schuf wie Eins, Zwei, Drei (1961), Das Mädchen Irma la Douce (1963), Manche mögen’s heiß (1959) oder Zeugin der Anklage (1957)? Insgesamt waren es über 60 Filme, die in mehr als 50 Jahren entstanden und für die er als Autor, Produzent und Regisseur 21-mal für einen Oscar nominiert und sechsmal ausgezeichnet wurde.

Hellmuth Karasek hat uns diesen Mann, der 1906 in Sucha (Österreich-Ungarn) geboren wurde, in vielen Interviews vorgestellt. Über all’ seine Lebensstationen, von Wien über Berlin bis Hollywood - um nur einige zu nennen. Hinzu kommen zahlreiche Originalfotos, hauptsächlich von Drehplätzen zum Beispiel im zerbombten Berlin (für A Foreign Affair, 1947/ 48) und von Stars (Marlene Dietrich, William Holden), mit denen er arbeitete. Dieses einfühlsam und kenntnisreich geschriebene Buch ist ein Zeitdokument der besonderen Art.

Und wer das Thema vertiefen möchte, dem sei das reich bebilderte Buch im Interview-Stil von Cameron Crowe empfohlen: Hat es Spaß gemacht, Mr. Wilder? Beide Bücher sind antiquarisch zu bekommen.   RS

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Ian Kershaw: Höllensturz. Europa 1914 bis 1949

Originaltitel bei Penguin: „To Hell and Back, Europe 1914-1949“

Die Geschichte Europas in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, geprägt von zwei Weltkriegen, von Völkermord, aggressivem Nationalismus, von menschenverachtenden Diktaturen, von Antisemitismus, Greueltaten der Nazis  und unfaßbarem menschlichem Leid: ein „Höllensturz“ bis an den Rand der Selbstzerstörung eines Kontinents.

Ian Kershaw, der britische Historiker, hat mit diesem Sachbuch ein „faszinierendes und außerordentlich erhellendes Geschichtspanorama Europas“ geschrieben (Klappentext Pantheon). Man lernt, den Wert eines einigen Europas zu schätzen. - GS

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Ian Kershaw: Achterbahn: Europa 1950 bis heute

Originaltitel bei Penguin: „Roller-Coaster, Europe, 1950-2017“

Eine lange Friedenszeit ist Europa nach den beiden Weltkriegen beschieden - aber sie war und ist nicht ohne Krisen und Ein- und Umbrüche. Ebenso wie in „Höllenfahrt“ bestens analysiert und meisterhaft geschrieben - auch für die, die historisch nicht so sehr versiert sind, gut zu verstehen und ein absoluter Gewinn. - GS

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Michel de Montaigne und Hans Stilett: Essais - Erste moderne Gesamtübersetzung

Im Jahre 1571 zog sich der Gerichtsrat Montaigne in seine „Boutique arrière“ zurück, in sein Hinterstübchen, wie Hans Stilett übersetzt. Gemeint ist damit der Turm auf Schloß Montaigne im Périgord. (Man kann Schloß mit Turm übrigens besichtigen.) Dort entstand der wesentliche Teil seiner Essais.

Stefan Zweig hat über Montaigne geschrieben, Sarah Bakewell hat seine Essais höchst klug interpretiert, Hans Stilett hat sie schließlich nicht nur kommentiert, sondern neu übersetzt. Nämlich so, daß man nun endlich Montaignes Essais auch auf Deutsch mit großem Genuß und Gewinn lesen kann. Die Gedanken und Erkenntnisse sind zeitlos, nicht wenige Dichter, Philosophen, Autoren wurden und werden von Montaigne inspiriert. - GS

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Karl R. Popper: Alles Leben ist Problemlösen. Über Erkenntnis, Geschichte und Politik.

16 Aufsätze und Reden. Auch  zur Frage der Verantwortlichkeit von Politikern. Und zu Poppers berühmten Satz über die Ideologien unserer Zeit: „Der Versuch, den Himmel auf Erden zu verwirklichen, produziert stets die Hölle.“ GS

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Anna Schneider: Freiheit beginnt beim Ich - Liebeserklärung an den Liberalismus

Die Geschichte lehrt, daß alle totalitären Regime versuchen, die Freiheit des Individuums zu unterdrücken. Der aufmerksame Zeitgenosse wird feststellen, daß es aktuell zunehmend Bestrebungen gibt, den Freiheitsbegriff zu beschädigen, indem dieser mit Egoismus gleichgesetzt, das Streben nach Freiheit gar als „unsolidarisch“ gebrandmarkt wird. Anna Schneider, österreichische Journalistin, Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Welt“, geht in ihrem Buch diesen antiliberalen Strömungen nach und resümiert: „Ohne  >Ich<  gibt es keine Freiheit, und ohne Freiheit kein >Ich< “ .  GS

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Margot Lee Shetterly: Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen

(Hidden Figures. The Untold Story of the African-American Women who Helped Win the Space Race, 2016)

2013 gründete Shetterly The Human Computer Project. Das Ziel dieser Organisation ist ein Archiv der Arbeit sämtlicher Frauen, die bei der NACA und NASA gearbeitet haben. Ihr Sachbuch berichtet von diesen hochbegabten afroamerikanischen Mathematikerinnen, die in Langley maßgeblich zum Erfolg des Mercury- und Apollo-Programms der NASA beitrugen. Fakten statt Fiktion.  GS

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Simon Singh: Fermats letzter Satz -  die abenteuerliche Geschichte eines mathematischen Rätsels

von  Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv) 2000.  

Im 17. Jahrhundert notierte der französische Mathematiker Pierre de Fermat, er habe einen "wunderbaren Beweis" dafür gefunden, daß diese Formel des Pythagoras nicht mehr gilt, wenn die Potenz erhöht wird. Leider hat Fermat außer der Randbemerkung nichts dazu hinterlassen, und so haben sich bis 1995 - der Beweisführung durch Andrew Wiles – Menschen unterschiedlichster Provenienz daran gemacht, das mathematische Rätsel  zu lösen. Davon handelt dieses Buch, und es ist atemberaubend spannend.   GS

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Nigel Slater: Tender|Obst : Vom Apfel bis zur Weintraube

Anbau, Pflege, Varietäten und Rezepte für 23 Obstsorten. Nigel Slater ist einer der bekanntesten Food-Journalisten der Welt - und man staunt über seine raffinierten Rezepte, mit denen er zurück zum Wesentlichen kommt. Die Fotografien von Jonathan Lovekin machen zusätzlich Appetit und motivieren zum Kochen! Gerade das richtige Buch für Frühling und Sommer und genug Zeit, in der Küche kreativ zu werden. - GS

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Peter Sloterdijk: Wer noch kein Grau gedacht hat - Eine Farbenlehre

In Anlehnung an Cézanne formuliert der emeritierte Professor für Philosophie und Ästhetik: „Solange man das Grau nicht gedacht hat, ist man kein Philosoph.“ Dieser seiner Behauptung spürt er nun nach und wird fündig: In der Philosophie, in der Kunst, in Befindlichkeiten. Es mag den Leser zunächst etwas befremden, aber zweifellos hat Sloterdijk (ich las kürzlich, er sei der heitere unter den Philosophen) eine neue Denk-Spur gelegt. Ein innovatives Buch! - GS

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Dava Sobel und William J.H. Andrewes: Längengrad

Längen- und Breitengrade als nautisches Netz zur Orientierung: Noch im Jahre 1707 erlitt General Sir Cloudesley Shovell mit seiner gesamten Flotte vor den Scilly-Inseln Schiffbruch, weil er den exakten Längengrad nicht kannte ... Während die Breitengrade anhand des Sonnenstandes bestimmt werden können, braucht es zur Ermittlung des Längengrades eine  seetüchtige Uhr. Und die wurde von einem schottischen Uhrmacher namens John Harrison entwickelt: 1759 stellte er seine H4 vor, von James Cook 1774/75 auf der Weltumsegelung erfolgreich getestet.  GS

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Dr. Anna Veronika Wendland: Atomkraft? Ja bitte! Klimawandel und Energiekrise: Wie Kernkraft uns jetzt retten kann

Für „grob fahrlässig“ hält es die Autorin, Kernkraftwerke abzuschalten: Solange es nicht ausreichend erneuerbare Energien bzw. keine ausreichende Speicherkapazität dafür gibt, kann man nicht auf Kernkraftwerke verzichten. Fakt ist: CO2-Emissionen sollen vermieden werden, und gleichzeitig soll die Versorgungssicherheit gewährleisten bleiben. Ursprünglich eine überzeugte Atomkraftgegnerin, sieht Dr. Wendland heute nach jahrelanger Forschung zu Reaktorsicherheit in Atomanlagen die positiven Chancen, die diese saubere Energie bietet. 

Man fragt sich nach dieser Lektüre, warum ein Land wie Deutschland so vehement gegen Atomkraftwerke ist und die Abwanderung von leistungsfähiger Industrie, hochqualifizierten Arbeitskräften und damit die Erosion einer funktionierenden Wirtschaft in Kauf nimmt.  GS

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Uwe Wittstock: Februar 33 -  Der Winter der Literatur

„Uwe Wittstock erzählt die Chronik eines angekündigten und doch nicht für möglich gehaltenen Todes“, heißt es im Klappentext des Buches. Vom 28. Januar bis zum 15. März 1933 wird  in 35 Kapiteln dem Zerfall des Rechtsstaates und der Errichtung der Nazi-Herrschaft nachgegangen. Begleitet von der äußeren Zementierung eines Diktatur - wie z.B. durch die Notverordnungen, aber auch durch die Straßengewalt der SA-Schlägertruppen - werden die für die Künstler einschneidenden Veränderungen wie mit einem Stroboskop beleuchtet: Klaus Mann erlebt die Besetzung des Theaters mit einem linientreuen Intendanten, George Grosz gelingt die Emigration acht Tage, bevor die Schlägertrupps der SA sein Haus besetzen. Bücher und Filme, Bilder und Vorträge werden verboten, Menschen ausgegrenzt, verfolgt, gequält, getötet für eine menschenverachtende Ideologie.

In einem atemberaubenden Tempo - vier Wochen und zwei Tage - werden alle demokratischen Strukturen zerstört, entscheidet sich, was gesagt, getan und geschrieben werden darf, ja, wer künftig leben darf. Und ebenso atemlos macht das Buch! 

"PACKEND UND BEÄNGSTIGEND: DIE VERWANDLUNG DEUTSCHLANDS IN EINE HÖLLE AUS DIKTATUR UND TERROR." , sagt STEN NADOLNY GS 

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Stefan Zweig: Montaigne (1533 - 1592)

Der Autor stellt uns den bedeutenden Philosophen, Humanisten und Essayisten Michel Eyquem de Montaigne in einer wundersamen Entwicklung vor. Geboren bei Bordeaux im Hause des wohlhabenden Kaufmanns Ramon Felipe Eyquem wurde Michel bald nach seiner Geburt für drei Jahre zu Landbewohnern in der Nähe des Schlosses Montaigne gegeben. Das einfache Leben sollte ihn für die erste Zeit auf dieser Welt prägen. Zurück zu hause erhielt er von einem Privatlehrer Unterweisungen ausschließlich in der lateinischen Sprache. Auch seine Eltern und die Bediensteten sprachen, so gut es ging, lateinisch. 

Dies und seine Schulzeit im Collège de Guyenne in Bordeaux, wo er von bedeutenden Gelehrten der Zeit unterrichtet wurde, bildeten die Grundlage seiner herausragenden Werke, die gerade auch in die heutige Zeit strahlen.

Stefan Zweig beschreibt den Lebensweg dieses bedeutenden Wissenschaftlers, Humanisten und Politikers in der ihm eigenen fesselnden Weise.  RS

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Stefan Zweig: Die Welt von Gestern

Der Autor (1881-1942) gibt einen teilweise sehr persönlichen Rückblick auf seine Jugend und die Jahre in Wien, Berlin, London und Paris. Er schildert den Hurra-Patriotismus, der viele Nationen in den Ersten Weltkrieg führte, das Wüten der Inflation in Österreich und Deutschland, die Bemühungen Weniger um Einigkeit in Europa, die vielfältigen Veränderungen in der jungen Generation. Eingeordnet in eine detaillierte Beschreibung der politischen und sozialen Zustände verfolgen wir seinen Lebensweg und sein literarisches Schaffen zwischen Optimismus und Resignation, bis der Faschismus von Deutschland Besitz ergreift. Zweigs Bemühen, sein Kampf um die europäische Idee sollte überall in den Schulen des Kontinents mit großer Aufmerksamkeit behandelt werden. RS

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