KreativWerkstatt

Fröhlich, originell!
Fröhlich, originell!

Frühstück mit Spatzen

Wilhelm Wilde ist ein zurückhaltender, auf die Stimmigkeit von Zahlen, Berechnungen und Prozessen spezialisierter, aktuell jedoch recht einsamer Büromensch, der vor kurzem in die Rente entlassen wurde. Er pflegt einen ruhigen Lebensstil und ist freundlich gegen jedermann, so lange er nicht über Gebühr gereizt wird. Fernsehklamauk mag er nicht, verkriecht sich dafür aber gern in zeitgeschichtlichen Abhandlungen. Unpünktlichkeit und Maßlosigkeit sind ihm seit jeher ein Dorn im Auge.

Willi, so wollen wir ihn nennen, lebt allein. Das hat das Schicksal vor drei Jahren so entschieden, als er seine geliebte Gisela nach kurzer schwerer Krankheit begraben mußte. Jetzt geht er wieder gern einmal unter Menschen, besonders gern unter die, die er mag. Und er liebt sein Dorf. Diese hübsche, adrette Ansammlung von kleinen und etwas größeren Häusern und Höfen am Bodensee. Hell und freundlich, frisch gestrichen, auch altes Fachwerk, gepflegt, mit größeren und kleinen, bunten Vorgärten. Hier ist Willi zuhause. Nirgendwo anders möchte er leben.

So frühstückt er des Morgens bei strahlendem Sonnenschein auf seiner schmalen, schattigen Terrasse, an die sich ein bescheidener Obstgarten anschließt. Der Säntis, „sein“ Hausberg, grüßt vom Schweizer Bodenseeufer. Bestimmt ein Dutzend Mal hat Willi ihn mit seiner Gisela bestiegen. Diese Bergtouren waren für beide immer etwas ganz Besonderes, Vertrautes. Konnten sie doch von dort oben ihren Heimatort in aller Ruhe bewundern. Manchmal scherzten sie auch, wenn sie mit Einheimischen ins Gespräch kamen, und den verblüfften Schweizern eröffneten, auf der besseren, deutschen Seite zu wohnen. Denn nur sie hätten den exklusiven Blick auf diesen prachtvollen, stolzen Berg.

Wenn er jetzt den Blick von seinem Tablet hebt, auf dem er des Morgens die Tageszeitung liest, sieht er sie manchmal noch neben sich sitzen, seine Gisela. Schaut ihr zu, wie sie elegant mit dem kleinen Tafelmesser den Toast mit einer hauchzarten Schicht der selbst eingekochten Erdbeermarmelade bestreicht. Hört ihr zu, wie sie Pläne für einen weiteren Apfelbaum auf dem hinteren Teil des Rasens entwirft. Jonagold muß es sein, dieser herrliche Winterapfel. Freut sich über ihr glockenhelles Lachen und ihre übermütig blitzenden Augen. Ja, das ist alles noch nicht so lange her. Willi schluckt, strafft sich und rückt sich kerzengerade zurecht auf seinem Gartenstuhl. Fest vorgenommen hat er sich, sein Alleinsein nicht durch Resignation und Trauer begleiten zu lassen. Sondern sich weiter, leider jetzt allein, an der Welt da draußen und um ihn herum zu erfreuen. 

 Mit wachem Auge schaut sich der Alleingelassene um. Da sitzt doch ein schmales, braunes Spatzenweibchen auf der Lehne des zweiten Gartenstuhles, den er immer am Tisch, ihm gegenüber, aufstellt. Es könnte ja Besuch kommen. Und der ist jetzt da. Den Kopf schräg gelegt, mustert ihn das kleine, zarte Federbündel. Vermutlich jedoch nicht ihn, sondern die Krümel auf seinem Frühstücksteller, die beim Aufschneiden seines Kaiserweckens übrig geblieben sind. Willi sammelt sie auf und streut sie mit einer weiten Handbewegung auf die Terrasse, quasi als Einladung zum gemeinsamen Frühstück.

Seine gefiederte Besucherin scheint recht furchtlos und segelt im Nu auf den Terrassenboden, der mit grauen Steinplatten bedeckt ist. Pickt angelegentlich, mal hier, mal dort, und nähert sich mit vorsichtigen Hüpfern den Brotkrumen. Willi freut sich über den zufälligen Gast und greift bedächtig nach seiner Kaffeetasse, bemüht, schnelle Bewegungen zu vermeiden. Er hat ja jetzt Besuch, und den will er nicht verjagen.

Wobei, dieser hat eine ganz hübsche Arbeit mit den Krumen, die auf dem Frühstücksteller winzig scheinen. Sie müssen zerkleinert werden. So ist denn schnell die schmale, aber kräftige Kralle zu Hilfe. Fest wird zugepackt und der spitze, dunkle Schnabel saust blitzschnell so lange auf den viel zu großen Krümel nieder, bis alles zerkleinert und verspeist ist. Das Spatzenweibchen ist gründlich und verabschiedet sich von Willi erst, als der letzte Rest von den Bodenkacheln verspeist ist.

So geht das den lieben, langen Sommer. Immer, wenn das Wetter es zuläßt, deckt Willi auf der Terrasse den Kaffeetisch. Vierfrucht hat er wieder entdeckt, seine Lieblingsmarmelade aus der Kinderzeit. Öfter einmal gibt es auch Mohnbrötchen oder Knauzen, diese leckeren Holzofenbrötchen. Ein Frühstücksei darf auch nicht fehlen. Und die neue, blaue Thermoskanne hält den Kaffee länger heiß, so daß unser Ruheständler den Vormittag inmitten seines Gartens genießen kann, so lange er will.

Natürlich hat sich auch wieder Besuch eingestellt. Spatzen sind familiär, leben in kleinen Kolonien zusammen und fliegen auch gern gemeinsam zur Inspektion neuer Futterplätze. Ein ganzer Pulk von immer hungrigen, neugierigen Flugkünstlern hüpft nun fast täglich auf seiner Terrasse herum und will versorgt werden. So steht jetzt auch eine Vogeltränke bereit, die unser Vogelfreund immer mit frischem Wasser füllt und die gern genutzt wird. Der Tisch ist sozusagen für alle gleichermaßen gedeckt.

Ganz offensichtlich hat die Vogelwelt das Interesse unseres Ruheständlers geweckt. Auf dem Tablet liest er jetzt nicht mehr nur regelmäßig seine Tageszeitung und die Börsennachrichten. Gerade hat er ein Programm geladen, mit dem er Vögel aus seiner Umgebung bestimmen und einiges über ihre Gewohnheiten und Eigenarten herausfinden kann. Das macht ihm richtig viel Freude. Wie ist das doch gleich mit dem Brut- und Nistverhalten der geschäftigen Amseln, die in des Nachbarn Lorbeerhecke beheimatet sind und ihm des Abends wunderschöne Ständchen bringen? Auch Blaumeisen mit ihrem quietschgelben Bauchgefieder lassen sich in Willis Garten blicken, werden treffsicher von ihm erkannt. Zudem ist in der hohen Tanne, die von nebenan einen langen Schatten auf den hinteren Teil seines Gartens wirft, öfter ein Buntspecht zugange. Zielgerichtet, mit voller Konzentration und in rasender Geschwindigkeit bearbeitet der den Stamm auf der Jagd nach versteckten Larven und Würmern. „Was für ein fleißiger Vogel“, denkt unser Ruheständler, „und so energisch“.

Nicht ganz so angetan ist er von den kräftigen, schwarzweißen Elstern, diesen Rabenvögeln, die keinen besonders guten Ruf haben, weil sie Nester ausrauben, Eier und Jungtiere fressen. Außerdem krächzen sie unschön. Willi ist, er staunt selbst darüber, zu einem richtigen Ornithologen geworden. Mit seinem Programm spielt er sich immer wieder die verschiedenen Vogelrufe, die Triller und Gesänge vor, und ist stolz darauf, schon einige Vogelarten an ihrem Gesang zu erkennen. 

Selbstverständlich er hat sich auch über die Winterfütterung in seinem Garten informiert. Über Meisenknödel und passende Körnermischungen mit Sonnenblumenkernen, Hirse und Getreidekörnern. Außerdem mußte ein Vogelhäuschen her. Hier an der Terrasse, vor der kleinen Wiese mit dem Birnbaum, wird es stehen. So kann Willi auch an Wintertagen vom Fenster aus seinen kleinen Besuchern zuschauen. 

In der Rückschau, bei einer Tasse Tee, einem gehörigen Stück Pflaumenkuchen, natürlich mit Sahne, und mit Blick in den Garten auf das fröhliche Geflatter, staunt Willi über sich selbst. Über diesen Schritt von der einsamen Kaffeetafel zur spannenden Unterhaltungssendung, an der er sich selbst höchst aktiv beteiligt. Ein richtiges Abenteuer wie (Willi sucht einen passenden Vergleich) diese eine Besteigung des Säntis mit seiner Gisela über die Schwägalp und das Berggasthaus Tierwis. Als sie kurz vor dem Gipfel in schlimmstes Gewitter kamen, mit waagerecht trommelndem Schneeregen zu kämpfen hatten und fast nichts mehr sehen konnten. Das war schon verrückt damals!

Und jetzt?! Willi freut sich, ist total zufrieden mit sich und der Welt. Da war diese flüchtige Bekanntschaft mit einer kleinen, hungrigen Spatzendame an einem der ersten Frühlingstage in seinem Garten. Und was wurde daraus? Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft mit der ganzen, bunten Vogelwelt.

Was doch die paar Krümel von einem Kaiserwecken alles in Bewegung setzen können!

R.S.

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Moment mal! Knauzen

#Google - Jeder kennt sie, die Bewertungen von Gaststätten, Handwerkern, Taxidiensten usw.. Sie sind bisweilen hilfreich, denn von einem Klempner, der zusagt, den Wasserhahn zu reparieren, aber dann nicht kommt, hat man zugegeben nicht allzu viel. Man entscheidet sich für einen anderen Anbieter des Gewerbes, weil der eine bessere Bewertung hat und zuverlässiger scheint.

Zum aktuellen Fall: Meine Frau und ich machten eine hübsche, kleine Ausfahrt ins wunderschöne Oberschwaben. Irgendwo dort draußen trieb uns der Hunger in eine Bäckerei, und wir erwarben vier Knauzen und eine Kümmelseele mit Butter. Letztere wollten wir gleich verspeisen.

Auch wenn der Volksmund recht hat mit dem Hinweis „Der Hunger treibt’s rein“ - diese Seele verschwand, angeknabbert, gleich wieder in der Tüte. Sie war zäh wie Leder, das Abbeißen nicht ganz einfach. Es mußte kräftig gezogen, gerissen werden. Das vor dem Runterschlucken übliche Kauen zog sich hin. Da hatten wir halt Pech gehabt. Aber da waren ja noch die Knauzen fürs Abendessen. Wobei - auch hier mußte umdisponiert werden. Die Backware war hart und alt, allemal für Knödel zu gebrauchen. Für eine nette, kleine Käseplatte völlig ungeeignet.

Hungrig, enttäuscht und mißmutig - Ich griff zum Handy und bewertete den Anbieter musealer Wecken entsprechend: mit  einem von fünf Sternen. Schrieb bei Google „4 Knauzen gekauft, leider alle alt und hart. Die Butterseele war zäh und auch nicht frisch.“

Die Antwort des Schrippenproduzenten im Internet ließ nicht lange auf sich warten: „Es tut uns leid, dass Sie diese Erfahrung bei uns machen mussten. Wir backen jeden Tag frisch. Gewisse Kleinbrote werden bei uns auf der Steinplatte gebacken und sind daher von Natur aus schon etwas härter. Wir würden uns freuen, Sie zu einem anderen Zeitpunkt wieder bei uns begrüßen zu dürfen, um Sie vielleicht mit anderen Sorten zu begeistern.“

Ich war leidlich verblüfft: Redeten wir von derselben Sache? Litt ich an partieller Amnesie? Wie konnte es sein, daß ich mit Knauzen, alt und hart, und zäher Butterseele von einem Bäcker nach Hause kam, wo doch letzterer nur frische Ware anbietet? Ich vergewisserte mich bei meiner lieben Mitfahrerin, ging mit ihr den Ablauf des letzten Tages durch. Ja! wir waren in Oberschwaben gewesen. Und JA! Die Tüte vom  Bäcker lag noch im Papierkorb. Ich mußte an Palmström denken: „….. daß nicht sein kann, was nicht sein darf.“ (Text unten) „Der Schorsch will uns veralbern“, sagte ich zu meiner Frau. „Nein“, sagte sie, „der will uns das nächste Mal wieder begeistern, nur mit einer anderen Sorte.“

Wir waren beide platt. Dieser Back-Handwerker focht mit dem feinen Florett, während wir poltrig mit dem plumpen Säbel und „alt, hart, nicht frisch“ daherkamen. Das war’s! Wir kannten uns mit Knauzen nicht aus. Die sind halt robust und „von Natur aus etwas härter“. Wir gingen in uns, leisteten stumm, aber ehrlich, Abbitte. Meine Frau, leicht zerknirscht: „Ich habe extra an der Kruste geklopft. Das war so hart und klang so hohl. Und drücken konnte ich das Brötchen nicht, dazu fehlte mir einfach die Kraft.“

Daß unser flotter Wecken-Produzent bei seinem Fachvortrag die lätscherte Butterseele unter den Tisch fallen ließ, verstanden wir sofort. Das war schlicht unter seiner Würde, auch darauf noch eingehen zu müssen. Er hatte ganze Arbeit geleistet und uns zwei Volltrotteln süffisant den Marsch geblasen. Dazu gibt es ein kleines, passendes Gedicht von Christian Morgenstern.

R.S. 

Die unmögliche Tatsache

 

Palmström, etwas schon an Jahren,

wird an einer Straßenbeuge

und von einem Kraftfahrzeuge

überfahren.

"Wie war" (spricht er, sich erhebend

und entschlossen weiterlebend)

"möglich, wie dies Unglück, ja -:

daß es überhaupt geschah?

Ist die Staatskunst anzuklagen

in bezug auf Kraftfahrwagen?

Gab die Polizeivorschrift

hier dem Fahrer freie Trift? 

Oder war vielmehr verboten,

hier Lebendige zu Toten

umzuwandeln, - kurz und schlicht:

Durfte hier der Kutscher nicht?"

Eingehüllt in feuchte Tücher,

prüft er die Gesetzesbücher

und ist alsobald im klaren:

Wagen durften dort nicht fahren!

Und er kommt zu dem Ergebnis:

"Nur ein Traum war das Erlebnis.

Weil", so schließt er messerscharf,

"nicht sein kann, was nicht sein darf."

 

Christian Morgenstern (1871 - 1914)


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Vom Schweinehund

Früher, als Jagden nach dem stattlichen Hirsch, der listigen Wildsau in tiefem Wald und lichter Flur noch modern waren und von vielerlei Volks betrieben wurden, stellte sich schnell heraus, das der Homo Erectus Helferlein benötigte, die ihm die Beute zutreiben könnten. Also ließ man andere für sich arbeiten, stellte sich gut versteckt mit Keule oder Pfeil und Bogen hinter Busch oder Fichte und wartete auf die Hauptmahlzeit, die vollkommen abgehetzt um die Ecke kam und nur noch erlegt werden mußte. Womit wir beim Schweine- oder Sauhund wären, einem prachtvoll trainierten, raubeinigen und höchst aggressiven Jagdgenossen, der die Spür- und Laufarbeit für den damals schon zur Bequemlichkeit neigenden Erdenbürger erledigte und nicht einmal merkte, was das für ein hinterhältiges Ausbeutungsverhältnis war.

Nun ist Sau- oder Schweinehund keine irgendwie lieblose Bezeichnung für einen Jagdhund, sondern impliziert die Beschreibung eines simplen Arbeits-, Schutz- und Treueverhältnisses. Zudem sind Hunde des Menschen liebste Begleiter, und - bitte melden - wer etwas gegen ein prächtig gegrilltes Nackensteak einzuwenden hätte. Soweit liegen jetzt die Fakten klar auf dem Tisch. Praktisch eine Win-Win-Situation für den aktiv jagenden Teil, ausgenommen natürlich das Wildschwein.

Wobei - aus unerklärlichen Gründen wandelte sich der Terminus Technicus für den unermüdlich hechelnden, bellenden Zutreiber ins Negative, sprang sogar auf seinen Herrn und Meister über. „Du elender Schweinehund“ - das war auf einmal ein durch und durch niederträchtiger Kerl, ein widerlicher Lump, ein zu ächtender Verräter. Was war da bloß passiert?

Wir wissen es bis heute nicht genau. Wie wir aber beobachten können, ist diese üble Beschimpfung dem Menschen quasi unter die Haut gekrochen, hat sich inwendig, vermutlich im Diencephalon, also im Zwischenhirn, eingenistet. Und sie ist milde geworden, hat sich im Laufe der Jahrtausende von der bekannt wüsten Attacke zu einem pflegenden Seelenschmeichler entwickelt. Der innere Schweinehund ist in unserer modernen Zeit zu etwas geworden, was die katholische Kirche vermutlich mit Selbstabsolution beschreiben würde. Er tut gut, muß allerdings auch für eine ganze Menge herhalten.

So zum Beispiel für zunehmende Bequemlichkeit, die der Mensch von heute mit vorrückendem Alter, drückendem Schuhwerk oder der Anziehungskraft von Speiseeis (Vanille, Schoko, zweimal Erdbeer) zu erklären sucht. Man schleppt sich also die Treppen zum zweiten Stock nicht mehr höchstselbst und per pedes hinauf, wie der Hausarzt dringlich ans Herz legte. Nein, man nimmt den Fahrstuhl. Der innere Schweinehund ist’s zufrieden und hat Beruhigendes einzuflüstern mit dem Verweis, daß die Benutzung der Aufstiegshilfe ja lediglich eine winzigkleine Ausnahme von der Regel sei. Morgen werde man wieder -  eben - so wie immer. Hah!

Ein weiteres, klitzekleines Problemchen sei noch erwähnt, wo unser freundliches Helferlein traditionell gern zum Einsatz kommt. Das ist die in vielen wohlhabenden Ländern übliche Sitte, üppige Mahlzeiten in großen Mengen und langen Sitzungen einzunehmen. Dazu darf natürlich auch ein guter Schluck getrunken werden. Überbrückt wird die Zeit zwischen den schmackhaften Events mit allerlei kunterbunten, zuckersüßen Leckerlies, die überall rumstehn und die man zuverlässig in der Manteltasche mit sich trägt. So registriert der verdutzte Mensch recht bald, daß die Hose schon mal weiter saß und jetzt kneift, der Gürtel ein zusätzliches Loch benötigt. In diesem kritischen Moment hat ein sorgender Schweinehund seinen Einsatz und flüstert dem irritierten Genießer zu, das Bekleidungsstück habe noch nie so richtig gepaßt und sei schon immer etwas eng gewesen. Zudem entspräche eine Röhrenhose nicht mehr dem neuesten Modetrend, und etwas zu kurz war sie allemal.

Wenn das alles dem Genießer in seiner Verzweiflung nicht hilft, wendet der Schweinehund einen kleinen Trick an und schiebt’s darauf, daß des Nachts Kalorien in großer Zahl über das Beinkleid hergefallen sind und Bein und Bund enger genäht haben. Dem Bonvivant kann’s nur recht sein. Der glaubt sogar das.

Es bleibt also festzuhalten, daß dem Schweinehund damals wie heute eine fürsorgende Rolle zukommt, die er in großer Selbstlosigkeit und mit viel Freude an der Sache ausübt. Er wird gebraucht, und das ist gut so.

R.S.

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Unter einer alten Kastanie: Weizendämmerung

Diese kleine Geschichte, die sich um Durst, Geselligkeit, Geheimnisverrat und Terminvorgaben rankt, ist gar nicht so einfach zu erzählen.

Im Zentrum der Handlung stehen Kurt, seit Januar des Jahres in Rente, fidel und rüstig. Ferner Emil, ein mit vielen Wassern gewaschener Versicherungsvertreter, und Alois, Brauer und Mälzer von gewichtiger Statur. Diese drei sind von Geburt überzeugte Badener, Mitglied in der Narrenzunft der örtlichen „Teuflischen Hexenweiber“ und nennen sich aufgrund gemeinsamer Neigung Die drei Weizenbubn. Zudem sind sie begeisterte Skatspieler. Zu dieser Passion versammeln sie sich reihum an jedem zweiten Freitag um 18 Uhr.

Heute nun trifft sich das Trio bei Emil, dem Versicherungsgenie, von dem erzählt wird, er sei so gut, daß er Eskimos Eisschränke verkaufen könnte. Schön gemütlich haben sie es hier in Emils Garten im Schatten einer uralten Kastanie, und es ist um 19 Uhr immer noch heiß, sehr heiß unter der Julisonne. Draußen auf dem Bodensee sind, was man gut von der Goldbacher Höhe aus beobachten kann, nur noch wenige Segler zu sehen, die zunehmend Flaute schieben und ihre Bootsmotoren anschmeißen. Unsere Skatler halten abwechselnd ihr Blatt und den Weizenkelch mit der erfrischenden, hefegelben „Weizensonne“. Die nackten Füße stecken in einer Schüssel mit kaltem Wasser, die ein jeder unter dem Tisch zur individuellen Erfrischung stehen hat. Eine Idylle: drei Männer am See, zufrieden mit sich und der Welt, von denen jedoch einer gleich etwas weniger gut gelaunt sein wird, denn er ist im Begriff, einen bombensicheren Null Ouvert in den Sand zu setzen. Mit dem Griff zum Flaschenöffner und zur nächsten Flasche „Weizensonne“ wäre diese Geschichte eigentlich gleich fertig erzählt. Aber wer verstünde sie, wenn man nicht die Vorgeschichte kennt?

Die begann exakt ein halbes Jahr vorher, am Freitag, dem 10. Januar 2025. Die Skatler waren bei Alois in Meersburgs Höhen zu Gast, der sich eine hübsche Junggesellenwohnung im Souterrain einer riesigen Villa eingerichtet hatte. Kaum saßen die drei vor ihren frisch mit „Weizensonne“ gefüllten Gläsern, platzte es aus Alois heraus: „Jungs, ich muß euch ein Riesending erzählen.“ Es ging um die Brauerei, in der er seit seiner Ausbildung schaffte. Ein stattlicher, ehemaliger Familienbetrieb mit allein vierzehn Biersorten, neuerdings Teil einer internationalen Brauereikette mit hohem Bekanntheitsgrad. Letzterer, so beschloß die Firmenleitung, sei in Old Germany steigerungsfähig. So wurde eine Werbeaktion beschlossen, die das Weißbier mit dem hübschen Namen „Weizensonne“ in den Mittelpunkt stellte. Jeder Kronkorken dieser Sorte trug auf der Innenseite eine Botschaft: „Versuch’s noch mal“, „Prost“, „Nah dran“, „Noch eins“ und verschiedenes mehr. Einige wenige Verschlüsse zeigten dem Biertrinker nach dem Öffnen der Flasche einen Gewinncode, bestehend aus Zahlen und Buchstaben. Der Hauptgewinn - es war keine arme Brauerei - war ein Elektroauto amerikanischer Herkunft.

So weit, könnte man meinen, nichts Besonderes. Eine der üblichen, recht noblen Werbekampagnen. Doch jetzt kam Alois aktuelle Flamme ins Spiel, die Daniela. Sie arbeitete in der Buchhaltung, Schwerpunkt Vertrieb, und vertraute ihrem Sunnyboy unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit an, daß der Hauptgewinn in der Palette dreizehn stecken sollte, die komplett an den Getränkevertrieb Schmidtchens Saftladen ausgeliefert würde. 

Die drei schauten sich an, atmeten tief durch und kürzten ihr Freitagsspiel auf vier Runden. Es gab einfach viel zu bereden. Und so kam es, daß sie pünktlich kur vor neun am nächsten, dem Samstagmorgen, vor besagtem Saftladen standen und die soeben eingetroffene Palette „Weizensonne“, die noch nicht einmal ausgepackt war, komplett kauften und die 24 Kisten in Kurts Hänger verluden, der bei dem Gewicht ganz schön in die Knie ging.

Jetzt hatte jedes der drei unternehmungslustigen badischen Mannsbilder acht Kisten „Weizensonne“ im Keller, 160 Flaschen feinstes Weißbier, Alkoholgehalt 5,3%. Und eine machbare Aufgabe vor sich. Denn rein rechnerisch wäre, aufs Jahr berechnet, nicht mal jeden zweiten Tag eine Flasche zu leeren und der Kronkorken zu überprüfen. Doch bei aller Liebe zum Hefeweißbier tranken die Weizenbubn auch gern einmal ein Export, ein Lager, ein Bockbier, dunkel wie hell. Nicht zu vergessen die speziell im Allgäu und Oberbayern wie auch im Frankenland beheimateten Klosterbrauereien mit meist über fünfhundertjähriger Brautradition und vielfältigem Gebräu. Wobei die Oktoberfestbiere, die auf der Münchner Wiesn ausgeschenkt werden, aber auch flaschenweise in den Verkauf gelangen, noch gar nicht berücksichtigt sind. Ein ganzer Bierkosmos, in dem sich unsere drei Skatler bestens auskannten und denen Abwechslung einfach Spaß machte. Aber Obacht: Was gute Sitte war - Kurt sprach gar von Tradition! - daß beim Kartenspiel ein Weißbier, seit Januar die „Weizensonne“, auf dem Tisch stand und sonst nichts.

Womit wir wieder bei unserer Runde unter der schattigen Kastanie auf der Goldbacher Höhe bei Emil im Garten wären, wo der Gastgeber gerade eine neue Flasche Weißbier öffnete und triumphierend den Kronkorken in die Höhe hielt. Auf seiner Innenseite war eine Reihe von Zahlen und Buchstaben gedruckt. Was für ein Glücksfund, hatte man doch im April schon einmal einen Kasten „Weizensonne“ gewonnen, Anfang Juni war es eine Grillschürze mit Brauereilogo auf der Brust. Immerhin eine gewisse Ermutigung bei so viel Einsatz. War jetzt etwa mehr drin? Von Daniela, Alois Flamme, war gerade letztens zu erfahren, das Elektroauto sei immer noch zu gewinnen.

So wurden die Spielkarten schnell beiseite gelegt, Alois zückte sein Handy und scannte den Barcode. Sein Gesicht, leicht glühend voller Erwartung, wechselte abrupt in fahle Leere. Seine Worte klangen ungewohnt dumpf: „Jungs, das Gewinnspiel ist seit vier Tagen beendet.“

Kein Wunder, daß die Stimmung an diesem ersten Freitag im Juli unter zartem Goldberger Abendrot und leisem Blätterrauschen der alten Kastanie maximal gedrückt war. Aber irgendwie kriegten die drei tapferen Badener doch wieder die Kurve und würdigten ihre Aktion, durchgeführt mit hohem persönlichen Einsatz und in voller Hingabe an eine gute Sache, mit einem kräftigen Schluck „Weizensonne“. Denn wußten nicht schon unsere Vor-Vorfahren: „Wer Bier trinkt, hilft der Landwirtschaft“!

Aber eines, das wollten unsere drei Weizenbubn jetzt doch noch genau wissen: Hätten sie mit ihrem Code vom ersten Freitag im Juli den Jackpot geknackt und den amerikanischen Stromer gewonnen? Daniela ging der Sache in aller Stille nach und vertraute ihrer Flamme Alois folgendes an: „Jungs, ihr müßt jetzt ganz tapfer sein. Der Code wär’s gewesen!“

R.S. 

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🐕 Sensation! - 🐩 Hundekanal eröffnet! 🦮

Der Öffentlich Rechtliche Rundfunk (ÖRR) hat seine vom Grundgesetz vorgegebene informative Grundversorgung der Bevölkerung um einen weiteren pädagogischen Bestandteil erweitert. Ab sofort gibt es auf den Kanälen 911 und 912 für alle Tier- und Menschenfreunde den Hundekanal. Er ist unterteilt in HuKa Eins für schützende und jagende Hündinnen und Hunde, und in HuKa Zwei für spielende und schmusende Vierbeiner.

Informiert wird barrierefrei (m, w, d) dienstags bis sonntags von neun bis elf Uhr. Hier werden interessante Hunderassen vorgestellt wie der treue Labrador, die gewissenhafte Französische Bulldogge oder der leicht hysterische Chihuahua, der kritische Pinscher, alle mit Originalton. Natürlich darf der deutsche Schäferhund, die deutsche Schäferhündin nicht fehlen. Auch Mischlinge und Zufallskreuzungen kommen nicht zu kurz.

Die Kamera ist dabei, wenn Hundefrisörinnen und Hundefrisöre trimmen, kämmen, die Krallen pflegen, föhnen und die so wichtige Unterwollbehandlung (zweimal im Jahr!) durchführen, damit Hundi Herrrchen oder Frauchen wieder schick an der Leine spazieren führen kann.

Unsere Vierbeinerfans (m, w, d) erfahren alles über Züchtungen und Zufallsbekanntschaften, das Who-is-Who der Schoßhunde, vegane Leckerli sowie die Vorlieben des europäischen Hochadels für ausgewählte Hunderassen.

Ganz wichtig: Eine breite Diskussion über das ganz spezielle Topf-Deckel-Prinzip. Also: welcher Mensch passt zu welchem WauWau? Sollte sich zum Beispiel ein springlebendiger Foxterrier auf einen müden, übergewichtigen Kneipengänger einlassen? Oder eine träge, zum Philosophieren neigende Mopsdame auf ein superhektisches Model der Bekleidungsbranche? Windhunde können doch unmöglich mit  einem Poeten zusammenleben, der sich nicht mal aus dem Haus traut. Und schließlich kann eine Bordeaux Dogge nichts mit einem Frauchen anfangen, die sich rein vegetarisch ernährt. Da fällt doch nix ab am Tisch!

Fragen über Fragen, die alle von HuKa Eins und HuKa Zwei gewissenhaft reflektiert, diskutiert und beantwortet werden. Moderiert werden die Sender von je einer/ em Kurz- bzw. Langhaarspezialist/ in. Unterstützt von zwei kommentierenden Zeitgenossen: Willi, dem knuffigen Langhaardackel und Wilhelmine, einer allerliebst kläffenden Zwergpudeldame.

😀 Also einschalten: HuKa Eins und HuKa Zwei - Di-So von 9-11 und 17-19 Uhr. Viel Freude mit dem neuen Angebot wünscht der ÖRR mit seinem nachhaltigen Erzieher-Kanal. Wuff! 😀

R.S.

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Künstliche Intelligenz (1)

Was macht der moderne Mensch, wenn er zum Beispiel wissen will, ob am Mittwoch in seiner Heimatstadt  wieder der Wochenmarkt stattfindet? Oder ob er vielleicht ausfällt, weil auf dem Platz vor dem Rathaus Vorbereitungen für das Weinfest getroffen und Bühnen und Zelte aufgebaut werden? Richtig: er geht zu Google und stellt die Frage. Nebenbei - man könnte ja auch den Nachbarn fragen, aber der ist gerade eben nicht da. Und ob der das so genau weiß?

Also zu Google. Da waltet jetzt die künstliche Intelligenz (KI), und die antwortet uns jetzt auf die Frage Wochenmarkt ja oder Wochenmarkt nein folgendes.

Heute ist Mittwoch, der 27. August 2025, und der Immenstaader Wochenmarkt findet heute nicht statt, da er nur mittwochs zwischen 8:00 und 12:00 Uhr (laut Quelle 5) bzw. 17:00 und 21:00 Uhr (laut Quelle 2) abgehalten wird. Informationen von Bodenseeferien und Immenstaad am Bodensee zeigen, dass der Markt mittwochs ist.

Der moderne Mensch reibt sich die Augen, kratzt sich vielleicht noch hinterm Ohr und ist so klug als wie zuvor. Aber was soll's? Belästigen wir einfach Google noch einmal. Die KI macht einen zweiten Anlauf, und der sieht deutlich besser aus. Wir erfahren:

In Immenstaad ist jeden Mittwoch Wochenmarkt von 8:00 bis 12:00 Uhr auf dem Rathausplatz. Regionale Händler bieten dort ein vielfältiges Angebot an Produkten wie Obst, Gemüse, Backwaren, Käse, Fisch und Fleisch an. 

Jetzt wissen wir schon eine ganze Menge mehr, und zwar alles, was wir ohnehin schon wussten. Die Frage, ob am heutigen Mittwoch Markttag ist, bleibt leider weiterhin unbeantwortet. Wir trösten uns: so eine KI ist sicher unbegrenzt lernfähig.

R.S.

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